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Wasserwissen      Blog

10 Jahre Trinkwasserskandal Ohlsdorf – Ein unrühmliches Jubiläum 

Gedanken aus der Sicht einer Betroffenen

Anfang des Jahres 2014, vor nunmehr 10 Jahren, bemerkten die Ohlsdorfer einen modrigen Geruch und Geschmack ihres Trinkwassers und begannen in der Gemeinde Alarm zu schlagen. Ab diesem Zeitpunkt begann eine monatelange aufwändige Suche nach der Ursache. Zuerst wurde geglaubt, dass durch das Hochwasser im Jahr zuvor es zu einer Algenblüte im Wasser gekommen war, die diesen Geruch verursacht hatte und die Gemeindebürger wurden beruhigt. 
Vorsorglich wurde der Gemeindebrunnen geschlossen. Nach mehreren Monaten intensiver Suche mit Laboruntersuchungen und kriminalpolizeilichen Ermittlungen war der Verursacher und der Tatort gefunden wurden: Chlopyralid ein Herbizid - auch verharmlosend „Pflanzenschutzmittel“ genannt - war in den Ohlsdorfer Gemeindebrunnen gelangt.

Das Mittel war illegal durch ein regional ansässiges Entsorgungsunternehmen auf der Baurestmassendeponie im Gemeindegebiet Ohlsdorf entsorgt worden und versickerte ungefiltert in genau jenen Grundwasserstrom, der den Ohlsdorfer Gemeindebrunnen mit Trinkwasser versorgt hatte. Mehrere tausend Menschen in Ohlsdorf und den umliegenden Gemeinden Stadl-Paura und Schwanenstadt waren damals von der Verunreinigung betroffen. Wie lange die Menschen diesem Stoff bereits ausgesetzt waren, blieb unklar. Auch welche langfristigen Auswirkungen dieses Herbizid auf die Gesundheit der Menschen hat, wurde damals nicht beantwortet. Eine eigene Versorgungsleitung von der Nachbargemeinde Gmunden musste gebaut werden. Beruhigungspillen wurden in der Bevölkerung verteilt, es hieß die Belastung mit dem Pestizid sei derartig gering gewesen, dass eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung auszuschließen sei. Warum dann der ganze Aufwand? Heute im Jahr 2024 liest man in den ORF Nachrichten wie es damals wirklich ausgesehen hat „Das Trinkwasser roch und schmeckte damals nicht nur eigenartig, es war mit einem Giftcocktail aus Pestiziden, Insektiziden und Fungiziden verseucht.“ ORF stories vom 8.11.2024 

Das mediale Echo war damals groß und in ganz Österreich wurde über diesen Skandal berichtet. Es kam in weiterer Folge zu drei Anklagen gegen verantwortliche Mitarbeiter des Entsorgungsunternehmens zw. der Baurestmassendeponie. Alle drei Angeklagten wurden bis heute nicht rechtskräftig verurteilt, bzw. wurden Verurteilungen in der Berufungsinstanz aufgehoben, sodass keine strafrechtliche Verantwortung für diese massive Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung von tausenden Menschen übernommen wurde. 

Im Zivilrechtsverfahren wurde der Gemeinde Ohlsdorf von wenigen Tagen ein Schadenersatz von 770.000 Euro zugesprochen. Dies waren nicht annähernd die Kosten, die die Gemeinde für den Neubau der Versorgungsleitung und den Zukauf des Trinkwassers über mehrere Jahre von der Nachbargemeinde Gmunden zu tragen hatte. Der Schadenersatz wird nun sowohl von der Gemeinde Ohlsdorf als auch dem zuständigen Landesrat als Erfolg gefeiert, da die Gerechtigkeit gesiegt habe. 

Als betroffene Gemeindebürgerin fragte ich mich, von welcher Gerechtigkeit wird hier gesprochen? Was bleibt ist ein bitterer Nachgeschmack und viele weitere offene Fragen: 

Zwar hat die Gemeinde einen Schadenersatz zugesprochen bekommen, aber was ist mit den betroffenen Gemeindebürgern, die das Wasser ahnungslos getrunken haben? Sie haben sich auf eine einwandfreie Qualität des Trinkwassers verlassen und es regelmäßig mit den Gemeindegebühren bezahlt. Wo werden sie entschädigt? 

Was ist mit möglichen langfristigen gesundheitlichen Schädigungen durch das Trinken dieses belasteten Wassers? Wer trägt hier die Verantwortung? 

Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass trotz regelmäßiger Trinkwasseruntersuchungen, das Wasser erst zu stinken beginnen muss, damit bemerkt wird, das etwas nicht stimmt? 

Wie sieht die künftige Sicherung der Qualität des Trinkwassers aus? Zwar wurden Sonden gebaut und die halbjährliche Beprobung des Trinkwassers zugesichert, aber wie man aus diesem Vorfall lernt, kann nur das gefunden werden, was auch gesucht wird. Jährlich gelangen tausende Chemikalien in die Umwelt und ins Wasser, für die es noch gar keine Grenzwerte gibt und die auch nicht untersucht werden. Verschärfend kommt in Ohlsdorf dazu, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass über die Baurestmassendeponie weitere problematische Stoffe ins Wasser gelangen könnten. Zudem ist eine Beprobung und Auswertung verschiedenster Stoffe im Trinkwasser teuer und aufwändig. Wer trägt diese Kosten? Die Gemeinde und damit der Gemeindebürger oder das Land OÖ und somit der Steuerzahler? 

Wo ist die Verantwortung der Behörden und Gerichte, die die Errichtung der Baurestmassendeponie erlaubt haben, wohlwissend, dass sie sich auf einem Grundwasserstrom befindet und obwohl das Wasserwirtschaftliche Planungsorgan bereits damals im Genehmigungsverfahren 2007 Berufung gegen die Versickerung der Deponieabwässer eingebracht hat, diese Berufung aber mit ökonomischen Erwägungen abgewiesen wurde? Warum wird diese Deponie nicht von den Verantwortungsträgern geschlossen, da doch eine künftige potentielle Gefährdung des Trinkwassers allein durch den Standort der Deponie nicht ausgeschlossen werden kann? 

Warum wurden die Angeklagten freigesprochen? Wo bleibt die strafrechtliche Verantwortung? 

Wo ist die Verantwortung des Deponiebetreibers, auf dessen Gelände 1400 Tonnen! Flüssigabfälle mit gefährlichem Inhalt abgelassen wurden? Ist da niemandem etwas aufgefallen? Warum haben in diesem Betrieb alle Sicherungssysteme versagt und warum wurde derartig flüssiger Abfall überhaupt entsorgt? Flüssigkeiten im Allgemeinen fallen ja nicht gerade unter die Kategorie Baurestmassenabfälle. Erst nach dem Bekanntwerden des Trinkwasserskandals im November 2014 wurde dem Deponiebetreiber jede Versickerung von Deponiesickerwässern untersagt. Da war der Schadensfall längst eingetreten. 

Und nicht zuletzt, was ist mit den Verantwortlichen im Entsorgungsunternehmen, die billigend eine Umweltschädigung und Gesundheitsgefährdung von tausenden Menschen in Kauf genommen haben um Entsorgungskosten zu sparen? Sie kommen auch straffrei davon und müssen lediglich einen Schadenersatz in der Höhe von 770.000 Euro bezahlen, wo der Handel mit Abfällen doch ein Milliardengeschäft ist? Alleine die Gemeinde Ohlsdorf hatte mit Stand 2017 einen Schaden von rund einer Million Euro, insgesamt werden Kosten von 3 Millionen Euro für die Beseitigung der Schäden kolportiert (ORF Bericht vom 13.07.2020). Warum muss dieses Entsorgungsunternehmen nicht den gesamten Schaden bezahlen? Warum wird der Entsorgungsbetrieb nicht im Sinne einer Wiedergutmachung zur zumindest teilweisen Übernahme der laufenden Kosten zur Qualitätssicherung des Trinkwassers herangezogen? 

Diese und viele andere Fragen bleiben unbeantwortet und die gerichtliche Zuerkennung des Schadensersatzes an die Gemeinde Ohlsdorf in der Höhe von 770.000 kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich viele (politische) Verantwortliche ihrer (moralischen, ethischen und fachlichen) Verantwortung entziehen und damit in dieser Angelegenheit die Gerechtigkeit noch lange nicht gesiegt hat.    

Alexandra Ecker, 12.11.2024